In meinen Aufsatz aus dem Holon-Journal 2002 gehe ich am Anfang auch auf Weltkrisen ein. Sie scheinen anzuhalten bzw. immer wieder neu zu entstehen. Umso wichtiger ist es, dass wir unsere Heiterkeit pflegen oder neu entwickeln!
Das Titelfoto stammt aus dem Jahr 2002 🙂
Die Wieder-Entdeckung der Heiterkeit
„Wenn du zum Psychiater gehst und ihm sagst, dass du glücklich bist, so wird er erwidern: «Du unterdrückst deinen Schmerz».
Wenn du zu mir kommst und sagst, dass du im Schmerz lebst, so sage ich dir: «Du unterdrückst dein Glück».
Patch Adams
In einer verworrenen und von Krisen geschüttelten Welt mag es seltsam erscheinen, auf die Bedeutung der Heiterkeit hinzuweisen oder gar ein heiter-festliches Leben zu führen. Schliesslich wissen wir alle, wie ernst das Leben doch ist! Die Katastrophen des 20. Jahrhunderts mit den beiden Weltkriegen, dem Kalten Krieg, der Umwelt-Bedrohung, der ungebremsten Entwicklung des Turbo-Kapitalismus und vielen weiteren irritierenden Entwicklungen haben in vielen von uns die Hoffnung auf eine harmonische oder gar heitere Welt ziemlich versiegen lassen.
Trotzdem soll in diesem Aufsatz die Heiterkeit im Zentrum stehen – Lachen ist erlaubt und erwünscht! Ich behaupte sogar, dass Heiterkeit und Lebenslust, sobald sie einmal im grösseren Umfang und von zahlreichen Menschen existenziell entdeckt sind, gerade solche schlimmen Katastrophen verhindern werden!
Beginnen wir von vorn
Wir haben immer geglaubt, dass wir unser Leben nur angemessen und erfolgreich gestalten können, wenn wir es ernst nehmen, wenn wir uns selber ernst nehmen. Die meisten Welt- Religionen gehen von einem grossen Ernst aus – das Heilige ist ernst. Auch die Philosophie nimmt sich selbst ernst, und ebenso steht es mit der Wissenschaft.
Es bedeutet einen Schlag für dieses Selbstverständnis, wenn ein Mann wie Patch Adams1 dazu rät, sich in der Öffentlichkeit lächerlich zu machen. Nein, das können wir uns nicht vorstellen, das geht zu weit: Unsere Identität ist gefährdet, unser Glaubenssystem, unsere Wichtigkeit.
Die Philosophie der Heiterkeit rät uns, uns selbst nicht mehr so ernst nehmen. Dadurch verliert unsere Identität ihre scharfen Konturen. Im Lachen erleben wir, dass unser geliebtes «Ich» sich in Heiterkeit mit der Welt und mit den Mitmenschen verbindet – ohne Angst und ohne Zweifel.
Adams entdeckte nach einer grossen Lebenskrise, dass Spass ebenso wichtig ist wie Liebe und Leben. Seine Leidenschaft für das Helfen brachte ihn zum Arzt-Studium. In seiner «albernen Klinik» will er Spass, Freundschaft und Freude am Dienen zurück in das Gesundheitswesen bringen. Er arbeitet daran, Geiz und Konkurrenz durch Grosszügigkeit, Mitgefühl und gegensei- tige Verbundenheit zu ersetzen.
Mit dem Verzicht auf den übermässigen Ernst gehen Achtung und Mitgefühl nicht verloren. Vielmehr werden wir durch das Erlebnis einer unschuldigen Heiterkeit auch für die Mitmenschen sensibilisiert. Hemmungen, die uns sonst häufig hindern, spontan auf andere zuzugehen, werden durch Lachen abgebaut, so dass es uns auch leichter fällt zu helfen. Der Dienst am Nächsten wird zur echten Freude!
Es gibt Philosophien und meditative Praktiken, die den Prozess des «Verschwindens des Ich» kennen und beschreiben. Zum Beispiel wird in der Zen-Meditation davon berichtet, dass sich durch die jahrelange Übung im «Ganz-Da-Sein» die persönliche Identität sozusagen auflöst, so dass eine Einheit mit allem und allen entsteht. Es wird auch gesagt, dass diese Erfahrung bei den Praktizierenden eine unbesiegbare Lebensheiterkeit hervorruft. Man konnte dies an Persönlichkeiten wie dem vietnamesischen Zen-Meister Thich Nhat Hanh gut beobachten. Auch andere spirituelle Lehrer aus dem östlichen Raum strahlen manchmal diese wunderbare Heiterkeit aus.
Die östliche Tradition berichtet von lachenden spirituellen Meistern. Manche von ihnen zogen lachend durchs Land und steckten die Menschen mit ihrer Heiterkeit an.
Das dröhnende Lachen
Von dem grossen Zen-Meister Rinzai wird erzählt, dass er jeden Abend vor dem Zubettgehen ein dröhnendes Lachen von sich gab, das in allen Gängen widerhallte und überall in den Klostergebäuden zu hören war. Und das erste, was er tat, wenn er beim Morgengrauen aufwachte, war schallend zu lachen, laut genug, um jeden Mönch auch aus dem tiefsten Schlaf zu wecken.
Seine Schüler fragten ihn immer wieder, weshalb er lachte. Aber er wollte es ihnen nicht sagen; und als er starb, nahm er das Geheimnis seines Lachens mit ins Grab.
Interessanterweise kommen diese Geschichten und diese Philosophien erst in der jüngsten Zeit in unser Bewusstsein. Seit etwa zwanzig Jahren hat das Thema «Humor und Lachen» ein öffentliche Aufmerksamkeit erregt, vor allem im Zusammenhang mit dem Humor in der Therapie und der gesundheits- fördernden Wirkung des Lachens.
Dabei ist die Philosophie des Glücks alt genug! Die antiken Philosophen – und nicht nur sie – haben die Erreichung des Glücklichseins als das eigentliche Lebensziel betrachtet. Für sie war Philosophie immer Lebenskunst. Dieser Fokus ist in der modernen Philosophie leider verloren gegangen.
Die Epikureer und Stoiker machten einen wichtigen Unterschied zwischen dem, was der Mensch selbst entscheiden kann, und dem, was ausserhalb seines Einflusses liegt. Sie entwickelten ein feines Gespür für diesen Unterschied und lebten auch danach!
Der stoische Philosoph Epiktet schrieb Folgendes: «In unserer Macht steht das Schönste und Wichtigste, wodurch Gott selbst glücklich ist: der Gebrauch unserer Eindrücke und Vorstellungen. Denn wenn diese Möglichkeit richtig genutzt wird, bedeutet dies Freiheit, Glück, Heiterkeit, Würde, aber auch Recht, Gesetz, Selbstbeherrschung und Tüchtigkeit in jeder Form. Alles andere aber hat Gott nicht in unsere Macht gegeben. (…) Wir sollen uns also auf jede erdenkliche Weise um die Dinge kümmern, die in unserer Macht stehen. Die Dinge aber, die nicht in unserer Macht stehen, sollen wir dem Kosmos überlassen und freudig übergeben, ob er nun unsere Kinder, unsere Heimat, unseren Körper oder sonst etwas von uns fordert.»2
Meine Erfahrungen
Der Schreibende macht die Erfahrung des Lachens und der schönen Heiterkeit seit längerer Zeit und mit wachsender Begeisterung: Ich habe mit der Gründung der «Europäischen Lach-Ge- sellschaft» im Juli 2000 und mit meiner «Lach- und Spasspraxis» im Mai 2001 einige neue Akzente gesetzt, und meine weiteren Lach-Aktionen erfreuen sich steigender Beliebtheit. Die Öffent- lichkeit zeigt gutes Verständnis und Interesse für die zugrundeliegende Philosophie, und die erfolgreichen Lachtherapien sowie Schulungen in sozialen Institutionen, Teams und Firmen beweisen, dass die hier vorgetragenen Einsichten Hand und Fuss haben. Der Heiterkeits- und Lachvirus steckt an!
Wir dürfen diese neue, unschuldige Heiterkeit erfahren. Die Methode des «freien Lachens» weist einen Weg dazu – und somit zum glücklichen Leben.
Nicht zuletzt ist das Lachen eine sehr effektive Entspannungsmethode. Gemäss wissenschaftlichen Untersuchungen bewirken einige Minuten ausgelassenes Gelächter so viel Entspannung wie eine halbe Stunde konventioneller Methoden. Lachen reduziert Stress und schüttet Endorphine aus, die ein Wohlgefühl erzeugen.
Diese Erörterungen sind nur dann wirklich verständlich, wenn man das Lachen praktisch übt und somit die hier gemeinte Heiterkeit erfährt. Daher empfehle ich wärmstens, mit Freunden oder alleine das «freie Lachen» zu erforschen und die Wirkungen selbst zu erproben. Ich habe es auch so gemacht, und es hat wunderbar funktioniert. Filme zum Mitlachen gibt es auf meiner Webseite http://www.schutzla.ch
1 Patch Adams:Amerikanischer Arzt und Humorist,der mit seinem Konzept eines«albernen Krankenhauses» weltberühmt wurde.
2 Aus Epiktet, Teles, Musonius: «Wege zum Glück», München 1991, S. 52